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Ein medizinisches ChatGPT

Am IKIM erforschen und entwickeln interdisziplinäre Teams Einsatzmöglichkeiten von KI in der Medizin

Das Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) an der Universitätsmedizin Essen hat sich seit Gründung im Jahr 2020 rasant entwickelt. Die Diskussion um ChatGPT hat es deutlich vor Augen geführt, KI beeinflusst immer mehr Alltagsbereiche. In die medizinische Praxis haben von Künstlicher Intelligenz gesteuerte Tools dagegen schon seit Längerem Einzug gehalten. Künstliche neuronale Netzwerke und Algorithmen helfen bei der Früherkennung von Krankheiten, insbesondere in der Onkologie sind diese Programme hilfreich und führen zu präziseren Diagnostiken. Robotik assistiert bei Operationen, Übersetzungsprogramme erleichtern die Arzt-Patienten-Kommunikation sowie die Dokumentation, Bilderkennungssoftware unterstützt die wissens- und datenbasierte Personalisierung der Medizin.

Univ.-Prof. Dr. med. Felix Nensa hat das Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) mit aufgebaut und schaut auf das Jahr 2023 zurück: „Wir haben Projekte vorangebracht, Strukturen ausgebaut und auf internationalen Kongressen viel Anerkennung erhalten.“ Der Radiologe betont: „Es ist nicht einfach, einzelne Erfolge zu benennen, denn die Arbeit am IKIM ist ein agiler, sich täglich verändernder Prozess.“

Prof. Dr. med. Felix Nensa

Fünf Professuren bringen Forschung nach vorne

Das Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) bringt Forschende aus verschiedenen Disziplinen zusammen. Fünf Professoren vernetzten Forschungsprojekte, Graduiertenkollegs und Nachwuchsforschungsgruppen: Prof. Dr. Florian Rambow, Prof. Dr. Johannes Köster, Prof. Dr. Folker Meyer, Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jens Kleesiek und Prof. Dr. med. Felix Nensa.

Sie stehen im ständigen Austausch und arbeiten an hochmodernen Methoden des maschinellen Lernens – von der Datenverarbeitung medizinischer Parameter bis zur Übertragung medizinischer Informationen in den Operationssaal. Virtuelle Methoden kommen zum Einsatz und werden weiterentwickelt: Mixed Reality (MR), Augmented Reality (AR) oder immersive Technologien für ein Healthcare Metaverse.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Annotation medizinischer Daten, also auf der Verknüpfung von Bildern, Texten und wertvollen Zusatzinformationen für die medizinischen Prozesse. Für einen solchen Datenaustausch ist das ebenfalls am IKIM angesiedelte Datenintegrationszentrum (DIZ) von entscheidender Bedeutung. Hier werden standardisierte medizinischen Daten gesammelt und für Klinikärzte und Forschende als Ressourcen im FHIR-Datenformat bereitgestellt.

Die Forschungsgruppe Medical Machine Learning widmet sich dem Aufbau einer smarten Krankenhausinformationsstruktur, das KI-Team der Smart Hospital Information Platform (SHIP) arbeitet daran, Diagnosen zu verfeinern und zu beschleunigen und die Qualität der Patientenversorgung durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu optimieren. Das Labor für Medizinische Mixed Reality (MMR) bietet eine immersive Laborumgebung kombiniert mit Virtual oder Augmented Reality. Das hebt Patientenversorgung, Ausbildung und Forschung auf ein neues Level. Nicht zuletzt setzen sich die Forschenden intensiv mit den Anforderungen des Datenschutzes auseinander: Die Gruppe Trustworthy Machine Learning (vertrauenswürdiges maschinelles Lernen) entwickelt entsprechende Modelle, die sowohl die praxisorientierte Verständlichkeit als auch die datenschutzkonforme Anwendbarkeit von Künstlicher Intelligenz in der Medizin vereinen.

Exzellente Nachwuchsförderung

Felix Nensa: „Die Teams wachsen, unser Ruf für gute Nachwuchsförderung bringt inzwischen hervorragende Talente nach Essen. Von einem Kollegen aus Stanford hörte ich, dass das ‚Essener Modell‘ des Smart Hospital an der kalifornischen Elite-Universität als führendes Beispiel diskutiert wird. Erste Spin-offs wurden vom IKIM ebenfalls ausgegründet.“

Ein IKIM-Projekt, das insbesondere auf internationalen Kongressen wie dem Jahrestreffen der RSNA in Chicago für Aufsehen sorgte, ist der Einsatz von Large Language Models (LLM) im radiologischen Workflow. Radiologinnen und Radiologen können damit z.B. in Freitext formulierte Dokumente aus der elektronischen Patientenakte vom LLM, sozusagen ein medizinisches ChatGPT, in Sekunden gezielt nach bestimmten Informationen durchsuchen lassen. Ein anderes Modell kann gesprochene Sprache ins Deutsche transkribieren, wobei eine Vielzahl gesprochener Sprachen automatisch erkannt und unterstützt wird.

Mehr Zeit fürs Wesentliche durch KI

„Auch die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, die keine deutschen Muttersprachler sind, wird diese Software in Zukunft verbessern“, sagt Felix Nensa. Noch ist es häufig notwendig, über den Übersetzungsdienst einer Klinik Unterstützung anzufordern. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, Untersuchungsabläufe werden unterbrochen – hier kann KI helfen, schnell, direkt und dennoch zugewandt zu kommunizieren.

Ein dritter Entlastungsaspekt, den Felix Nensa in der LLM-Lösung sieht, ist die Unterstützung bei der Übersetzung von Patientenakten. Häufig müssen die behandelnden Ärzte und Ärztinnen zahlreiche Vorbefunde lesen, bevor sie Patientinnen oder Patienten untersuchen. Das dauert bei Ärzten und Ärztinnen, die keine deutschen Muttersprachler sind, naturgemäß länger, auch wenn sie alle Sprachlevels, die für eine Anstellung in einem deutschen Krankenhaus notwendig sind, nachweisen können. Felix Nensa: „Diese Kolleginnen und Kollegen arbeiten bei uns, weil wir ihre fachliche Expertise schätzen, nicht ihr perfektes Deutsch. Es ist sinnvoll sie mit solchen Übersetzungstools zu unterstützen.“ Zudem sei der Lerneffekt, den die Anwendung über den praktischen Nutzen hinaus habe, nicht zu unterschätzen.

Adaption von kommerziellem Tool

Ein weiteres Beispiel für eine im Jahr 2023 vorgestellte Innovation aus dem IKIM ist eine Software, die im Rahmen der Lungenarterienembolie-Detektion zum Einsatz kommt. Eine Lungenembolie kann lebensgefährlich sein und wird von Radiologen glücklicherweise nur sehr selten übersehen. Lungenarterienembolien werden heute zunehmend durch ein Katheterverfahren behandelt, welches in Essen die interventionellen Kardiologen durchführen. Hierbei kommt es allerdings im Arbeitsablauf oftmals zu kommunikativen Verzögerungen, so dass zwischen der Detektion der Lungenarterienembolie in der Radiologie und der Behandlung im Katheterlabor der Kardiologen unnötig viel Zeit vergeht. Um solche Verzögerungen zu vermeiden, nutzt die Essener Universitätsmedizin jetzt ein kommerzielles KI-Tool, das die IKIM-Experten- und Expertinnen speziell auf die Bedürfnisse der Essener Universitätsmedizin angepasst haben. Wird in der Radiologie ein CT von einer Lungenarterienembolie gemacht, wird diese von der KI automatisch detektiert und diese Information wird an die Smart Hospital Information Platform (SHIP) übergeben, dort mit relevanten Zusatzinformationen wie Labor- und Vitalwerten verknüpft und alles via Messenger an die Kardiologen geschickt. Felix Nensa: „Das läuft alles vollautomatisch und die Spezialistinnen und Spezialisten der Kardiologie sind extrem zeitnah informiert und können sofort reagieren.“ Hightech-Medizin, die Prozesse beschleunigt und potenziell Leben rettet!