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Smarte Drainagen

Dokumentation erleichtern – Risiken schneller erkennen

Seit April 2021 leitet Univ.-Prof. Dr. med. Michael Berger die Kinderchirurgie an der Universitätsmedizin Essen. Eines seiner Ziele: die Versorgung von kleinen Patientinnen und Patienten optimieren und ihre Zeit im Krankenhaus minimieren. Deshalb erforscht Michael Berger gemeinsam mit seinem Forschungsteam und dem Medizintechnikunternehmen Elixion Medical GmbH unter anderem den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in medizinischen Schlauchsystemen. Mit seinem Team hat er ein System entwickelt, dass postoperative Komplikationen schneller entdecken kann.

„Wie viele meiner Fachkolleginnen und -kollegen sehe ich eine riesengroße Chance in der Digitalisierung, die Vision des Smart Hospital möchten wir aktiv mitgestalten“, sagt Michael Berger. Der Spezialist für Leber-, Tumor- und Fehlbildungschirurgie bei Kindern behandelt unter anderem kleine Patientinnen und Patienten mit schweren Fehlbildungen der inneren Organe sowie bösartigen Tumorerkrankungen.

Personalisierte Risikoprofile erzeugen

Nach solchen Operationen liegen die Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation, komplett verkabelt, mit Schläuchen und Kathetern im Körper. Ein Monitoring aller Körperflüssigkeiten, die durch diese Schläuche geleitet werden, läuft. Bisher wurden die Daten des Monitorings vom Pflegefachpersonal „händisch“ in Papierformularen oder mit iPads oder Computern erfasst; Proben werden zur Analyse händisch aus den Schlauchsystemen entnommen, um sie an verschiedene Labore weiterzuleiten. Berger: „Dabei kann es zu Ungenauigkeiten kommen und – es geht Zeit verloren. Deshalb entwickeln wir aktuell im Rahmen eines Forschungsprojektes intelligente Drainagen und Katheter-Systeme, die all das viel besser und schneller können.“ Algorithmen analysieren dabei die Drainage- und Katheterflüssigkeiten, spezielle Programme generieren personalisierte Risikoprofile. Sensoren ermitteln Quantität und Qualität der abgeleiteten Flüssigkeiten wie Urin oder Sekret aus dem Bauchraum, wie sie nach Operationen entstehen.

Mit einem solchen System erreicht das Team eine Win-Win-Win-Situation. „Unsere jungen Patientinnen und Patienten profitieren von einer besseren Versorgung, das Pflegefachpersonal und das Ärzteteam werden von aufwendiger Routineüberwachung entlastet, und für das Krankenhaussystem fallen niedrigere Kosten an“, fasst Michael Berger zusammen. Insbesondere für das Pflegepersonal habe das System einen Mehrwert, da es zeitraubende Dokumentationsaufgaben automatisiert und wieder Raum eröffnet für die eigentlichen Pflegeaufgaben und eine menschenzugewandte Medizin.

Infektionen im Vorfeld vermeiden

Die KI-Systeme sind vor allem in der prädiktiven Medizin stark: Sie warnen, bevor ein ungewollter Verlauf wie eine Infektion eintritt, weil Künstliche Intelligenz kontinuierlich Daten screent und sofort erkennt, wenn Parameter oder Schnittmengen vom Normalen abweichen. Wenn Menschen dieses Screening verantworten, sind sie an Arbeitsrhythmen und Laborzeiten gebunden. Michael Berger: „In einer Universitätsklinik vergehen vielleicht wenige Stunden, in einem ambulanten Pflegeheim kann es aber wesentlich länger dauern, bis die richtigen Schritte eingeleitet werden.“

Für die Entwicklung des Systems hat das Team viele Fördergelder eingeworben. Das Land NRW stellte 1,4 Millionen Euro bereit, auch die Stiftung Universitätsmedizin Essen unterstützt das Forschungsprojekt, hinzu kommen Venture Capitalists. In Kooperation mit dem Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM) hat das Team inzwischen das Startup Elixion Medical GmbH gegründet, um Prototypen zu bauen und frühzeitig mit der Industrie in Kontakt treten zu können.

Monitoring über Krankenhausgrenzen hinweg

Die smarten Drainagen sind zwar auf Initiative eines Kindermediziners entstanden, das Produkt selbst kommt jedoch der Gesamtmedizin zugute. Michael Berger betont: „Das System ermöglicht es in Zukunft auch, Patientinnen und Patienten früher nach Hause in die gewohnte Umgebung zu entlassen, ohne sie einem zusätzlichen Risiko auszusetzen. Denn die Monitoring-Daten können über gesicherte Datenübertragungen wieder ins Smart Hospital zurückfließen.“ Dies ist für jeden erkrankten Menschen eine gute Aussicht. Für Kinder ist dieser Aspekt jedoch von besonderer Bedeutung, denn sie genesen in der Regel besser, wenn sie sich in der Obhut von Eltern und Geschwistern in ihrem gewohnten Umfeld aufhalten.